Der Doktor Faustus der Volkssage     -      Hintergrundwissen

..... Unsere Germanistik ist weitgehend auf den Faust- Stoff in der Bearbeitung Goethes fixiert. Dieses Drama ist ein Meisterwerk, doch übersieht man darüber oft, wie derb- lebendig und wie nah am realen Leben der echte Faust gewesen sein muss. Von ihm erzählt ein Volksbuch,  das auch der erste Roman im deutschen Sprachraum wurde. Faust wurde um 1480 in Knittlingen bei Maulbronn oder Helmstedt bei Heidelberg geboren. Sein richtiger Name war wohl Johann oder Georg Zabel, den Namen Faust legte er sich vermutlich erst später als Beinamen * zu..
Der reale Faust war eine zwielichtige Persönlichkeit und zudem ein fürchterlicher Prahlhans. Nun gehörte damals Klappern mehr zum Handwerk als heute; selbst der berühmte Paracelsus trat wie ein Marktschreier auf. Der „Halbgott von Heidelberg“, wie Faust sich nannte, behauptete im Besitz übernatürlicher Fähigkeiten zu sein, beschäftigte sich mit Magie und dem Erstellen von Horoskopen. Das gehörte zum Repertoire auch seriöser Kollegen. Aber Faust behauptete, die Wunder Christi wiederholen zu können. Das gab seinen Aussagen einen bedenklichen, blasphemischen Anstrich.
Sein Leben war unstet, er zog herum, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber wohl auch um dem Zugriff  der Obrigkeit zu entgehen.** So wohnte er unter anderem in Kreuznach, Erfurt, Bamberg, Köln, Ingolstadt und Nürnberg. Um 1540 ist er in der Nähe von Freiburg unter merkwürdigen Umständen gestorben (Laborunfall, Mord?); die Legende berichtet dazu Widersprüchliches. Sein Ende wurde in Liedern, Predigten und Druckschriften ausgeschlachtet, sein Ruhm wuchs ins Unermessliche – bis heute. 

 „In diesem Wissenschaftler, der um 1500 gelebt hat, begegnen wir einem Renaissance-Menschen, der wie Kopernikus und Paracelsus - um nur zwei Namen zu nennen - an den Grundfesten der Scholastik und der bestehenden feudalistischen Ordnung gerüttelt hat. Kirchliche Kreise wollten sich solcher unliebsamen Kritiker entledigen und ihre gefährdete Vormachtstellung festigen. Das Mittel der Verleumdung war ihnen gerade recht. Faust wurde zum Teufelsbündner erklärt und im Volksbuch als warnendes Beispiel diffamiert.“ so deutet Jens  Klapputh die Geschichte. Gewiss war die Kirche schnell damit zur Hand, ihre Gegner als Teufelsbündner zu diffamieren. Doch die Ausarbeitung des Faustmotivs ist mir zu handfest, enthält zu viele Punkte, die man sich nicht einfach ausdenkt, so dass m.E. der Pakt wirklich stattgefunden hat.
Faust durchschaute offenbar den damaligen Aberglauben, befasste sich aber selbst intensiv mit diesem Gebiet, natürlich „auf einer höheren Ebene“ (was alle Magier von sich behaupten). Die Besseren unter ihnen jedenfalls gelobten, keine dunklen Kräfte anzuwenden und nur die „magia naturalis“, die Kenntnisse der Naturkräfte zu gebrauchen. Dass Faust mehr als Andere darüber wusste, womöglich auch in der schwarzen Kunst sehr weit, zu weit gegangen war, kann anhand einiger Indizien erhärtet werden.

Wozu aber hätte ihm der unselige Pakt dienen sollen? Was wollte Faust bekommen, das ihm jene Gegenleistung, nämlich die ewige Verdammnis, aufgewogen hätte? Sicher nicht allein, wie Goethe ihm unterstellt, eine Verjüngungskur für den alternden Gelehrten, mehr Wissen und ausgedehnte, luxuriöse Reisen. Solche Dinge dürften den Dichter selbst eher interessiert haben, dessen „alter Ego“ [zweites Ich] Faust ja war. Mir stellen sich weitere Fragen: Gerichtsprotokolle aus jener Epoche zeigen, dass oft beide Seiten an der Legende strickten. Ich denke hier an den Prozess gegen einen Raubmörder aus Münster, der als „Werwolf“ maskiert auftrat. Wohl gemerkt, beide Seiten, denn dem Übeltäter oder Außenseiter lag ja auch daran, seinen Nimbus zu erhöhen und dann, der inneren Logik jener Zeit folgend, auch die verhängte Strafe zu akzeptieren. De Coster hat in den Vlämischen Legenden noch auf eine andere Möglichkeit hingewiesen: Hier ist das Böse ein alter Dämon oder dunkler Geist, ein Herr der Einöde, welcher dem schwächlichen und neurotischen Ritter körperliche Kraft und Unbesiegbarkeit sowie eine magische Anziehungskraft auf Frauen verleiht. Folgt man de Coster, dann enthielt der Pakt ursprünglich andere „Zaubergaben“ als die im Faustbuch genannten, nämlich solche, die im wesentlichen physischer Natur waren. Faust selbst ist diesen Gerüchten jedenfalls nicht entgegengetreten; offenbar legte er Wert auf eine gewisse abgründige Ausstrahlung. Ähnlich wie bei heutigen Stars dienten diese „rumores“ [Gerüchte] ihm dazu, sich seinem Publikum interessant zu machen.

Nach seinem Ende wurde Fausts Leben und Sterben je nach Konfession (oder Nähe des Erzählers zum Freigeistertum) unterschiedlich beurteilt. In manchen Legenden ist er eher ein Rebell gegen die kirchliche Macht, in anderen ein skrupelloser Genussmensch. In einigen Fassungen wird er gerettet, in vielen verdammt. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts überwiegt die Verketzerung des Faust und die Benutzung des Motivs als „schröckliches Mirakel“, welches dem Leser zur moralischen Verbesserung zu dienen hatte. Beispiele der frühen Bearbeitungen sind Christoph Roßhirts „Erzählungen vom Zauberer Faust“ (1570) und das Drama Christopher Marlowes, „Tragical History of Doctor Faust“ (Ende 16. Jh.). Es folgten Puppenspiele, Lieder und lokale Sagen zu Faust; hier ein Beispiel:

„Johannes Faust von Knüttlingen saß einmal zu Magdeburg im Wirtshaus und trank dort anderen zu, wie es in Sachsen und auch anderswo in Deutschland üblich ist. Als ihm nun der Junge des Wirts Kanne öder Becher zu voll schenkte, schalt er ihn und drohte, er werde ihn mit Haut und Haaren fressen, wenn er es noch einmal täte. Der spottete seiner und sprach: „Immer zu, fresst mich doch auf!’ und schenkte ihm abermals zu voll.
Da sperrt Faust sein Maul auf und frisst den Jungen ohne viel Federlesens. Hierauf schnappt er sich den Kübel mit dem Kühlwasser und spricht: „Auf einen guten Bissen gehört ein guter Trunk.“ Nicht lange, und auch der Inhalt des Kübels ist verschwunden. Der erboste Wirt bestürmte nun den Gast ernstlich, er möge ihm seinen Diener wiederschaffen, andererseits wolle er sich schon zu helfen wissen. Faust aber hieß ihn, sich zu beruhigen und hinter den Ofen zu schauen. Da lag der junge und bebte vor Schrecken. Er war mit all dem Kübelwasser begossen und pudelnass. Das war das Werk des Teufels gewesen. Der hatte ihn dahin gestoßen, das Wasser auf ihn gestürzt und den Zuschauern die Augen verzaubert, so dass sie dachten, der junge wäre gefressen worden und Faust hätte das Wasser geschluckt.“  **
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* Faustus bedeutet „der Glückliche, bzw. der, dem alles gelingt“
**  „Am 2. August 1507 schrieb der auch im Geheimwissen bewanderte Benediktinerabt Johannes Trithemius an einen Freund in Heidelberg über Faust: Der Mann, von dem Du mir schreibst, der sich Fürst der Nekromanten zu nennen wagt, ist ein Vagabund, Schwätzer und Betrüger.“
Aus Ingolstadt hat man ihn als Wahrsager ausgewiesen.  Ob sich Faust den Zorn Einzelner oder der Behörden auch wegen magischer Praktiken zugezogen hat, geht aus keiner zeitgenössischen Urkunde hervor.“
***  © Copyright www.Sagenbuch.de und Jens  Klapputh.

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